Um Stress nachhaltig zu lindern, ist es sinnvoll, ihn auf der Ebene des vegetativen Nervensystems zu betrachten. Wir zeigen dir, welche Übungen und Aktivitäten den Vagusnerv, deinen „Entspannungsnerv“, aktivieren können. Und wie du den Effekt testen kannst.
Unser vegetatives Nervensystem besteht aus zwei Hauptanteilen: Sympathikus und Parasympathikus. Beide Anteile reagieren ständig auf alle äußeren und inneren Reize, die auf uns einwirken. Sie sorgen dafür, dass unser Körper sich an wechselnde Anforderungen anpassen kann. Der Sympathikus ist dabei der anregende Teil des vegetativen Nervensystems. Er bereitet den Körper auf Leistung vor und ist Teil der Stressreaktion. Der Parayampathikus hingegen hat eine dämpfende und entspannende Wirkung. Er sorgt dafür, dass der Körper sich erholen und regenerieren kann und für kommende Stressphasen besser gewappnet ist.
Vagusnerv stimulieren – Stress lindern
Der größte Nerv des Parasymphatikus ist der Vagusnerv. Als zehnter Gehirnnerv verläuft er vom Hirnstamm im Kopf über Hals und Brusthöhle bis zum Bauchraum. Mit seinen ca. 100.000 Nervenfasern ist er an der Funktion fast aller inneren Organe beteiligt, u.a. des Herzens, der Lunge, des Magen-Darm-Traktes und der Geschlechtsorgane. Gleichzeitig leitet der Vagusnerv Informationen an unser Gehirn weiter und hat Einfluss sowohl auf unsere kognitive Leistung als auch auf unsere Emotionen. Die Stimulation des Vagusnervs setzt in unserem Körper entspannende und regenerative Prozesse in Gang. Ist er zum Beispiel aufgrund von andauerndem Stress geschwächt, können Symptome wie Kopfschmerzen, depressive Verstimmungen, Angstzustände, Erschöpfung und Verdauungsprobleme auftreten oder sich verstärken. Der Vagusnerv hat somit eine große Bedeutung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden und wenn es darum geht, Stress zu lindern.
Was den Vagusnerv aktiviert, kann individuell variieren
Wir zeigen dir, mit welchen Übungen und Aktivitäten du deinen Vagusnerv aktivieren kannst. Wichtig zu wissen ist dabei, dass die Wirkung individuell variieren kann. Probiere deshalb am besten aus, welche der Übungen dir liegen und welche du am besten und vor allem mit Spaß und Freude in deinen Alltag integrieren kannst – denn Spaß und Freude sind wiederum selbst gut für den Vagusnerv. Wenn du es ganz genau wissen möchtest, kannst du während einer 24-Stunden-Messung der Herzvariabilität verschiedene Techniken ausprobieren und herausfinden, wie sie auf deinen Vagusnerv wirken. Denn die Aktivität des Vagusnerv können wir mithilfe der Messung der Herzratenvariabilität messen und darstellen. Wir können damit auch dein allgemeines Stresslevel beurteilen und sehen, wie aktiv dein Vagusnerv momentan insgesamt ist – und ob eventuell Handlungsbedarf in Richtung Stress- und Burnoutprävention besteht.
1. Atemübungen, Meditation, Yoga
Passend zum obigen Beispiel starten wir mit Atemübungen. Über unsere Atmung können wir gezielt Stress lindern und den Vagusnerv aktivieren. Wichtig ist dabei, tief in den Bauch zu atmen, um der stressbedingt oft flachen Atmung lediglich in den Brustraum entgegenzuwirken. Um den Vagusnerv zu aktivieren, sollte der Fokus außerdem auf der Ausatmung liegen. Hier ein Beispiel:
Setze dich bequem hin oder lege dich auf den Rücken. Nimm zunächst ca. eine Minute lang deine Atmung einfach nur wahr. Atme dann für mehrere Minuten lang bewusst nach folgendem Muster: Drei Sekunden lang einatmen (am besten in den Bauch, sodass er sich anhebt), sechs Sekunden lang ausatmen und bewusst Anspannung loslassen. Dann eine Sekunde Pause machen und anschließend weiteratmen nach dem Muster 3-6-1.
Stresslindernde Atemübungen sind auch Bestandteil vieler Yoga- und Meditationskurse. Suche dir am besten ein passendes Angebot in deiner Nähe und probiere es einfach mal aus.
2. Singen oder summen
Dreh unter der Dusche, im Auto, beim Kochen oder einfach im Wohnzimmer die Musik auf und singe lauthals mit! Das stärkt den Vagusnerv gleich auf mehreren Wegen. Zum einen mechanisch, da der Nerv an den Stimmbändern entlang verläuft und so beim Singen direkt stimuliert wird. Zum anderen, weil beim Musikhören und Singen positive Emotionen entstehen – die sich wiederum auch positiv auf den Vagusnerv auswirken und Stress sofort lindern können. Wenn du Sorge um deine Nachbarn hast oder gerade lieber leisere Töne anschlägst, dann kannst du auch summen – die Wirkung ist ganz ähnlich wie beim Singen. Wenn du Lust hast, kannst du natürlich zur Musik direkt auch noch tanzen – Bewegung ist nämlich auch gut für den Vagusnerv (siehe Punkt 4).
3. Gesellig sein und lachen
Wann hast du das letzte Mal richtig herzhaft gelacht und mit Freund*innen rumgeblödelt? Weißt du nicht mehr? Dann wird es unbedingt mal wieder Zeit! Im Alltag vergessen wir zwischen Arbeit und anderen Verpflichtungen oft, dass das Leben auch ganz schön witzig sein kann. Verabrede dich deshalb bewusst zu einem Spieleabend oder um gemeinsam eine Komödie im Kino zu schauen – oder zu einer anderen Aktivität, die dich zum lachen bringt. Sowohl Lachen als auch positive soziale Beziehungen reduzieren Stresshormone, stärken die Psyche und rufen Glücksgefühle hervor – beides stärkt den Vagusnerv und lindert Stress.
4. Bewegung und Sport
Kommen wir wieder zu einer etwas klassischeren Methode, um den Vagusnerv zu stärken und die Gesundheit zu fördern: Moderate Bewegung und Sport, idealerweise an der frsischen Luft, können Stress abbauen und haben einen positiven Einfluss auf das vegetative Nervensystem. Wenn du herausfinden möchtest, welche Pulsbereiche für dich beim Sport und für ein moderates Training richtig sind, schau gerne mal in unsere Informationen zur Sportanalyse und Trainingssteuerung und vereinbare einen Termin für eine HRV-Messung!
5. Muskelentspannung
Wenn der Sympathikus durch andauernden Stress Überhand in unserem vegetativen Nervensystem gewinnt, kann das zu einem erhöhten Muskeltonus und Muskelverspannungen führen. Um dem entgegenzuwirken und den Parasympathikus inklusive Vagusnerv zu aktivieren, solltest du die Muskeln wieder entspannen. Auch das geht mit verschiedenen Methoden: Stretching-Kurse, progressive Muskelentspannung oder eine Massage – am besten probierst du aus, was dir liegt. Wenn du verschiedene Techniken während einer 24-Stunden-Messung der Herzratenvariabilität ausprobierst, kannst du direkt sehen, was deinen Vagusnerv am besten aktiviert.
6. Kalt duschen
Der Vagusnerv reagiert auf Kältereize. Probiere mal aus, ob eine Wechseldusche etwas für dich ist. Dazu kannst du zunächst nach dem warmen Duschen das Wasser kälter stellen und dann mit dem Duschkopf langsam das rechte und linke Bein von den Füßen an, den rechten und linken Arm von den Händen an und schließlich auch Hals und Schultern kalt abduschen. Achte dabei darauf, den Atem nicht anzuhalten, sondern atme langsam und entspannt weiter.. Um dich daran zu gewöhnen, kannst du das Wasser natürlich zunächst nicht ganz so kalt stellen und jeden Tag einen Schritt weiter gehen.
7. Kuscheln und Körperkontakt
Körperkontakt kann entspannen, Stress lindern und den Vagusnerv stärken. Nimm dir also zwischendurch bewusst Zeit, um Zärtlichkeiten mit anderen auszutauschen – vorausgesetzt natürlich, dass du und der/die andere das gerne mag. Ob Partner*in, Kind oder Haustier – vom Kuscheln profitieren beide Seiten!
8. Zeit für dich: Genuss, Spaß, Freude
Generell gilt bei allen Übungen und Aktivitäten: Sie sollten dir liegen und dir Freude bringen. Gesundheitsbewusstes Verhalten beinhaltet auch, Dinge nicht nur deshalb zu tun, weil sie gesund sind. Wenn sie gleichzeitig keinen Spaß machen oder sich zu einem Zwang entwickeln, kann das sogar kontraproduktiv sein. Deshalb nimm dir immer mal wieder Zeit für dich und überprüfe, ob deine Aktivitäten dir auch Genuss, Spaß und Freude bringen und du dabei abschalten und unbeschwert sein kannst – dann freut sich auch dein Vagusnerv darüber!
Mit einer 24-Stunden-Messung der Herzratenvariabilität und im anschließenden Coaching kannst du dir die Auswirkungen einzelner Aktivitäten auf dein vegetatives Nervensystem genau ansehen.